“Call him Voldemort, Harry. Always use the proper name for things. Fear of a name increases fear of the thing itself.”
― J.K. Rowling, Harry Potter and the Sorcerer’s Stone

Mir wird von Arbeitskollegen häufig nachgesagt, ich würde häufig das Sprichwort „ein Kind braucht einen Namen“ bemühen. Namensfindung ist ein Prozess, der uns im Alltag als Produktmanager permanent begegnet. Wie sollen wir das neue Modul nennen? Was soll auf diesem Button stehen? Wie soll dieser Menü-Punkt heißen? Und genau für diese Fälle glaube ich daran, dass man einfach mit seiner Intuition gehen sollte und keine Wissenschaft daraus machen muss. Ein Kind braucht eben einen Namen.

Anders sieht es aus bei der Namensfindung für ein gänzlich neues Produkt oder sogar ein Unternehmen. Hier müssen technische, kulturelle und rechtliche Problematiken mit bedacht werden. Und es sollte ein Name sein, mit dem sich alle Beteiligten auch Jahre später noch wohl fühlen. Einen Button umzubenennen ist schnell gemacht. Aber ein Produkt welches bereits in den Markt kommuniziert wurde nachträglich umzubenennen, ist eine ganz andere Hausnummer. Aber zum Glück muss man im Alltag nicht so häufig ein Produkt benennen, oder?

Im InnovationLab stehen wir stehen wir sehr häufig vor der Herausforderung, ein neues Produkt oder sogar ein Unternehmen zu benennen. Meisten im Rahmen unserer Pretotyping-Workshops. Wenn wir eine Produkt- oder Geschäftsidee am Markt testen wollen, dann wollen wir das meistens unter einem fiktiven Namen machen, um nicht den realen Namen des Unternehmens im Hintergrund oder des bestehenden Produktes zu verbrennen bzw. preiszugeben.

Beim Pretotyping dreht sich alles um Geschwindigkeit. Wie kann ich mit dem geringsten Aufwand rausfinden, ob es einen Markt für unsere Idee gibt? Da darf die Namensfindung eines fiktiven Produktes keinen großen Zeitblock füllen. Hier stellen wir unseren Standard-Prozess vor, um innerhalb von einer Stunde zu einem passenden und glaubhaften Namen zu gelangen. Für fiktive Produkte reicht das Ergebnis immer. Aber auch für die Findung des realen Namens eignet sich dieses Workshop-Format – auch wenn man dann vielleicht mehrere Iterationen durchlaufen möchte und zumindest einen Rechtsanwalt hinzuzieht.

Der nachfolgenden beschriebene Prozess kann alleine oder mit mehr oder weniger beliebig vielen Teilnehmer vollzogen werden. Ein heterogenes Team von 4 bis 8 Teilnehmern funktioniert in unserer Praxis am besten.

Schritt 1: Attribute sammeln (5 Min)

Alle Teilnehmer bekommen 3 Minuten Zeit und einen Stapel Klebezettel. Jeder überlegt für sich, welche Attribute das Produkt ausmachen. Was ist das Wertversprechen? Welches Problem löst es? Wie löst es das? Was ist das Alleinstellungsmerkmal?

Reihum bringen die Teilnehmer ohne größere Erklärung oder Diskussion ihre Zettel an die Wand und lassen Duplikate gleichzeitig verschwinden.

Schritt 2: Emotionen sammeln (5 Min)

Der vorherige Schritt wird noch einmal wiederholt – diesmal aber mit dem Fokus auf Emotionen. Welche Emotionen verbindest du mit dem Produkt? Welche Emotion möchtest du auslösen? Welche Stimmung sollte das Produkt transportieren?

Schritt 3: Freie Assoziation (10 Min)

In den ersten beiden Schritten werden die Klebezettel an einer großen Wand horizontal nebeneinander gehangen. Jetzt ist die Aufgabenstellung zu jeder Spalte möglichst viele Assoziationen aufzulisten. Die Teilnehmer schreiben still alle Assoziationen auf Klebezettel und können diese auch direkt an die Wand bringen und dabei Duplikate vermeiden. Das sollte ein dynamischer Prozess sein, bei dem alle vor der Wand stehen und sehr hand-on mit den Klebezetteln arbeiten. Wenn nötig können sich Teilnehmer hier auch über Synonym-Datenbank oder den Thesaurus Inspirationen einholen. Wir spielen in unseren Workshops in dieser Phase immer etwas schwungvollere Hintergrundmusik.

Tools die hier helfen können sind zum Beispiel https://rhymezone.com/ und https://www.thesaurus.com/.

Schritt 4: Voting (5 Min)

Ein erstes Heatmap-Voting zeigt auf, welche Begriffe bereits etwas Anklang in der Gruppe finden. Dabei bekommt jeder Teilnehmer so viele Klebepunkte wie er will und kann diese frei verteilen – auch mehrere Punkte auf einen Begriff. Durch dieses Voting werden keine Begriffe aussortiert. Aber die Gruppe erhält ein paar Anhaltspunkte mit welchen Begriffen es sich lohnt die weiteren Schritte zu durchlaufen.

Schritt 5: Generatoren nutzen (15 min)

Jetzt geht es endlich darum konkrete Namensvorschläge zu kreieren! Dabei teilen wir die Gruppen so auf, dass jede der folgenden Quellen von mindestens einer Person genutzt werden. Bei Workshops mit weniger Teilnehmer oder einem Solo-Workshop wird die Phase entsprechend mehrmals durchlaufen.

  1. https://www.oberlo.com/tools/business-name-generator
  2. https://namelix.com/
  3. http://impossibility.org/

Die Teilnehmer bekommen 10 Minuten Zeit ihre favorisierten Begriffe von der Wand in die Tools zu füttern und sich interessante Ergebnisse aufzuschreiben. Danach bekommt jeder 5 Minuten Zeit, um fünf konkrete Vorschläge zu zu erstellen und diese an die Wand auf einen neuen Bereich zu bringen. Dabei kann man einfach aus den gefundenen Vorschlägen wählen oder diese weiterspinnen bzw. kombinieren.

Schritt 6: Voting (10 Min)

Jetzt wird wieder ein Heatmap-Voting durchgeführt. Allerdings werden diesmal nur die Top 10 der Vorschläge behalten. Alle anderen Ideen werden zunächst zur Seite gelegt.

Schritt 7: Filterung (10 Minuten)

In diesem Schritt werden die Top-10 einmal durch die Gruppe einer schnellen Filterung unterzogen. Wir machen typischerweise folgende Checks:

  1. Ist der Domain-Name noch frei?
  2. Gibt es unter diesem Namen bereits eine Facebook-Seite oder ein Twitter-Profil?
  3. Ist der Name gut zu verstehen?

Beim dritten Check rufen wir ein paar Kollegen per Videochat an und lesen die Vorschläge nacheinander vor und bitten die Kollegen den Namen in das Chatfenster zu schreiben. Namen die mehr als einmal fehlerhaft geschrieben wurden können wir streichen, sie sind zu kompliziert.

Für die Prüfung der Domain-Verfügbarkeit eignet sich zum Beispiel https://iwantmyname.com/ sehr gut.

Schritt 8: Externes Feedback

Obwohl der Prozess sehr kurzweilig ist, hängen wir jetzt bereits zu sehr emotional an unseren Ideen und sind vielleicht auch etwas betriebsblind geworden. Daher machen wir eine Pause und kommen später am Tag oder am nächsten Tag noch einmal auf das Thema zurück. In der Zwischenzeit erstellen wir eine einfache Umfrage (bei Microsoft Forms oder Google Forms). Hier werden einfach alle noch verbliebenen Vorschläge zur Auswahl angeboten. Ebenso enthält die Einleitung den Elevator Pitch zum Produkt, um etwas Kontext zu schaffen. Die Umfrage sollte von mindestens 10 Personen beantwortet werden. Idealerweise sind es Menschen aus der Zielgruppe des Produktes. Aber im Zweifelsfall funktionieren auch Arbeitskollegen oder private Kontakte.

Schritt 9: Finales Voting (5 Minuten)

Die Ergebnisse der Umfrage werden vorgestellt und abschließend erfolgt ein einfaches Voting. Zumindest für ein fiktives Produkt im Rahmen des Pretotypings sollte der Name gut genug sein. Aber wer weiß, vielleicht hat man auch gerade den perfekten Namen für das eigentliche Produkt gefunden und behält diesen für das kommende Jahrzehnt bei…

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Über den Autor

Mit 15 Jahren Erfahrung aus Design, Produktmanagement, Software-Entwicklung, Prozessoptimierung und Strategieberatung liegt mein Herzblut in Innovationsprojekten und Workshop Moderation. Meine Liebe zum Pragmatismus und mein Hekel an nicht wertschöpfenden Dingen zieht sich durch all unsere Leistungen und Projekte. Ich freue mich darauf dich kennenzulernen – vielleicht kann ich auch euch zu mehr Agiltiät und schnelleren Ergebnissen verhelfen.